Ausgangssituation:
In diesem therafunction Beitrag möchte ich den Finger bewusst etwas tiefer in die Wunde legen, um damit unseren hektischen Arbeitsalltag einmal selbstkritisch zu hinterfragen. Dazu eignet sich die Zeit zwischen den Jahren besonders gut.
Das Thema lautet: Warum passt der Biss im Artikulator perfekt und im Mund so gar nicht?
Diese Frage haben sich sicher schon viele Zahnmediziner und Zahntechniker gestellt. Doch im Alltag geht es häufig nur um Schuldzuweisungen, der Zahnmediziner sagt, der Zahntechniker hat es falsch einartikuliert. Der Zahntechniker sagt, der Zahnmediziner hat den falschen Biss genommen. Oder wir sagen als Team es liegt am Patienten, er hat einfach falsch zugebissen.
Doch mit diesen Schuldzuweisungen stimmt der Biss im Patientenmund leider immer noch nicht und die Arbeit muss aufwendig im Labor nachgearbeitet oder im Mund eingeschliffen werden.
Stellen Sie sich bitte folgende Situation vor, Sie kaufen sich ein neues Auto, öffnen die Fahrertür setzen sich in das Fahrzeug und schließen die Tür. Doch die Tür passt nicht so ganz und schließt nicht. Sie sprechen den Verkäufer auf den Mangel an. Dieser sagt Ihnen, das ist kein Problem und bittet um etwas Geduld. Er geht in die Werkstatt und holt eine Flex. Mit dieser schleift er an der Fahrertür und an der B – Säule so lange bis die Tür passt. Jetzt ist zwar die Farbe ab, aber die Tür geht zu, nicht perfekt aber sie geht zu. Wer von uns würde dieses Auto jetzt noch kaufen? Damit stellt sich die Frage warum akzeptieren wir diesen Umstand bei einem Auto nicht, dafür aber bei einer Zahnversorgung?
Diese kurze Geschichte zeigt zwar schön das Problem, hat aber außer der Flex noch keine wirkliche Lösung.
Lösungsansatz:
Aus meiner Sicht ist es wichtig zu schauen, wo die Zahnversorgung gefertigt wird. Das wird zu 99 % in einem Artikulator geschehen.
Ob es ein analoger oder digitaler Artikulator ist, spielt bei unserer Betrachtung keine Rolle. Fest steht, die Zahnversorgung wird extern, außerhalb des Patienten gefertigt.
Doch welche Informationen werden am Patienten dafür abgegriffen? Häufig sind es die beiden Abformungen und ein Silikonbiss über die komplette Zahnreihe. Für eine Einzelzahnversorgung mag das ok sein, für eine komplexe Zahnversorgung ist es ehrlich gesagt etwas wenig.
Wäre es nicht sinnvoll, so viele Informationen wie möglich am Patienten zu erfassen und diese in einen Vollwertartikulator zu übertragen? Denn je mehr Informationen der Zahntechniker erhält, umso besser kann er die Zahnversorgung auf den Patienten abstimmen. Dazu gehört neben der Bisslage natürlich auch die Positionierung der Modelle im Artikulator.
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Damit stellt sich die Frage welche Informationen werden benötigt.
Hier hilft sicher ein Blick in die aktuellen S2K Leitlinien der DGFDT. Darin findet man unter 4.1.2 Entwicklung die folgende Zusammenfassung:
„Das Bestreben, Bewegungen des Unterkiefers aufzuzeichnen und zu dokumentieren, hat sich im zahnärztlichen Bereich zu Beginn des 20. Jahrhunderts intensiviert [190]. Vor allem mit mechanischen Aufzeichnungssystemen wurden grundlegende Untersuchungen durchgeführt, die insbesondere mit Namen wie Gysi, McCollum und Stuart, Schröder sowie Gerber verbunden sind. Neben forschungsbezogenen Aspekten hatten diese Untersuchungen zum Ziel, die okklusale Gestaltung zahnärztlich-restaurativer Arbeiten auf den individuellen Patienten ausgerichtet zu optimieren. Hierfür lieferte die Bewegungsaufzeichnung patientenbezogene Werte für die Einstellung der Führungselemente von Artikulatoren."
Unter 4.2.2 findet man dann die Ziele definiert:
„Im Bereich der zahnärztlichen Funktionsdiagnostik baut die instrumentelle Bewegungsanalyse auf der klinischen Funktionsanalyse auf. Die klinische Funktionsanalyse ist der erste und der wichtigste Schritt zur Beurteilung des Funktionszustandes eines Patienten mit Funktionsstörungen des Kausystems |
Herausforderungen:
Damit ist eigentlich alles gesagt.
Bevor wir eine Zahnversorgung fertigen, müssen wir erstmal wissen, ob das Kausystem unserer Patienten gesund oder erkrankt ist, sprich ob die beiden Kondylen in habitueller Bisslage zentrisch stehen oder nicht.
Das klingt so simpel, doch wie häufig wird denn eine klinische Funktionsanalyse durchgeführt? Und was heißt zentrisch?
Auch hier hilft wieder ein Blick in die Wissenschaft.
Die DGZMK hat bereits 1994 die bis heute aktuelle Definition der zentrischen Kondylenposition veröffentlicht:
„Kranioventrale, nicht seitenverschobene Position beider Kondylen bei physiologischer Kondylus-Diskus-Relation und physiologischer Belastung der beteiligten Gewebe. Völlig unabhängig von der Okklusion des Patienten! Abhängig vom neuromuskulären Grundtonus! Jedwede Manipulation führt zu Abweichungen!“
Jetzt wird es spannend, denn in der Definition steht „völlig unabhängig von der Okklusion des Patienten“. Damit scheidet also die klassische Handbissnahme mit Silikon auf die Zahnreihe und beißen Sie mal zu definitiv aus.
Grundsätzlich ist es logisch, dass die habituelle Okklusion den Patienten in
seine jeweilige Kondylenposition „zwingt“. Das kann man sehr schön bei einer
DVT-Aufnahme erkennen, wenn diese ohne frontalen Aufbiss in habitueller Okklusion realisiert wird.
In dem DVT wird sichtbar, dass der linke Kondylus in habitueller Bisslage um
ca. 2,5 mm deutlich zu anterior positioniert ist. Ursache dafür ist der Zahnkontakt bei 26 und 36. Dieser Zahnkontakt zwingt den Unterkiefer linksseitig in die anteriore Kondylenposition. Wenn jetzt in diesem Gebiss eine klassische Handbissnahme für eine Zahnversorgung durchgeführt wird, wird diese „falsche Kondylenposition“ in den Artikulator übertragen.
Und hier liegt unser Problem.
Denn unsere Artikulatoren haben alle eine feste Kondylenachse. Unsere Patienten haben jedoch zwei frei bewegliche Kondylen. Stehen also die Kondylen nicht zentrisch, wird diese nichtzentrische Position in den Artikulator übertragen. Jetzt stimmt die gedachte Scharnierachse der beiden Kondylen nicht mit der realen Scharnierachse des Artikulators überein.
Um die realen Patientenbewegungen im Artikulator identisch nachvollziehen zu können, müsste die linke Gelenkbox durch die Protrusionsschraube in die anteriore Kondylenposition gebracht werden. Damit wäre Patient und Maschine aufeinander abgestimmt, die Bewegungen im Artikulator würden mit denen des Patienten übereinstimmen.
Dennoch wäre die Position der beiden Kondylen unphysiologisch!
Wir möchten diese Situation anhand einer Aufbissschiene verdeutlichen. Dazu wird das Zentrikschloss des Artikulators geschlossen. Jetzt haben wir die feststehende Scharnierachse. Die Zahnkontakte werden mit rotem Okklusionspapier visualisiert.
Anschließend wird das Zentrikschloss geöffnet und die Protrusionsschraube der linken Gelenkbox um 2mm nach anterior verstellt. In dieser Position wurde mit grünem Okklusionspapier die Okklusion überprüft. Anhand der unterschiedlichen Kontakte wird deutlich, warum wir so häufig bissbedingte Nacharbeiten haben. Die grünen Kontakte symbolisieren die habituelle Okklusion des Patienten. Die roten Kontakte sind nicht mit den grünen Kontakten übereinstimmend. Die Differenz zwischen den roten und grünen Kontakten sind die uns allen bekannten, nervigen bissbedingten Nacharbeiten. Das heißt, wir benötigen für jede Zahnversorgung, die in einem Artikulator gefertigt werden soll, eine zentrische Kondylenposition. Nur wenn beide Kondylen zentriert stehen, ist eine fehlerfreie Übertragung in den Artikulator möglich. Jetzt ist die gedachte Scharnierachse unserer Patienten mit der realen Scharnierachse unseres Artikulators identisch, nur so gelingt eine optimale Okklusionsgestaltung.
Damit stellt sich die Frage wie können wir im bezahnten, teil- oder unbezahnten Kausystem eine reproduzierbare zentrische Kondylenposition am Patienten erfassen und dann exakt in den Artikulator übertragen?
Lösungsweg:
Nach meiner Überzeugung gelingt dies nur mit einem Stützstiftregistrat. Das kann man sowohl aus den S2K Richtlinien, als auch von der zentrischen Definition der DGZMK ableiten.
Wenn die Zentrik nur unabhängig von der habituellen Okklusion bestimmbar ist, braucht es etwas im Mund, was die habituelle Okklusion entkoppelt. Das gelingt mit einem Stützstiftregistrat sehr gut. Da kommen noch weitere Parameter wie die Bisshöhe und auch Bezugsebenen hinzu. Um dieses komplexe Thema nicht noch komplexer zu machen, bleiben wir aber nur bei der Zentrik.
Das Problem des klassischen Stützstifregistrates ist, dass es nur zweidimensional UK Bewegungen aufzeichnet. Damit stellt sich die Frage, wo auf dem Pfeilwinkelregistrat befindet sich denn nun die zentrische Kondylenposition? Auf der Pfeilspitze oder doch lieber einen halben Millimeter weiter vorn? Damit wird die gewünschte zentrische Kondylenposition wieder von Erfahrung und Gefühl abhängig. Es stellt sich die Frage, kann man dieser Zentrik dann wirklich vertrauen oder nicht?
Doch was wäre, wenn es ein Stützstiftregistriersystem gäbe, mit dem wir dreidimensional die Unterkieferbewegungen erfassen könnten? Damit wäre es möglich, den höchsten Bereich der beiden Fossae zu erfassen und zu visualisieren. Damit könnten Zahnmediziner immer reproduzierbare, zentrische Bissnahmen generieren.
Was soll ich sagen es gibt da ein System mit dem dies endlich möglich ist. Insgesamt vier intraorale Sensoren erfassen dreidimensional die Bewegungen des Unterkiefers. Das System ist natürlich digital und ermöglicht eine sofortige Visualisierung der Unterkieferbewegungen in der Software. Dank dieser Visualisierung können Zahnmediziner die zentrische Kondylenposition beider Kondylen eindeutig bestimmen und sofort in ein analoges oder digitales Bissregistrat überführen. Welches System das ist und wie es funktioniert, können Sie sich gern in diesem Video anschauen oder Sie melden sich einfach für einen unserer Onlinekurse an.
Dank der 4 Sensoren erfassen Sie mit Centric Guide® 3D neben der zentrischen Kondylenposition auch automatisch die sagitale Gelenkbahnneigung und die Bennettwinkel. Mit diesen Parametern kann der Artikulator und damit auch die Zahnversorgung besser auf unsere Patienten abgestimmt werden.
Von großem Vorteil ist dabei, dass alle UK Bewegungen in einem Protokoll dokumentiert werden. In diesem Protokoll wird sichtbar, dass der linke Kondylus habituell anteriorer und damit tiefer steht als der rechte Kondylus. Damit kann die habituelle Kondylenposition in dem Protokoll nachvollzogen werden. Zudem werden auch die Gelenkbahnwerte mit dokumentiert.
In dem hier vorgestellten Fall wurden diese Parameter zusätzlich im DVT bestimmt. Die im DVT ermittelte sagitale Gelenkbahnneigung beträgt rechts 41,9° und links 38,3°. Die mit Centric Guide® 3D ermittelte Gelenkbahnneigung beträgt rechts 43,86° und links 38,03°. Damit weichen die beiden Werte rechts nur um 1,96° und links nur um 0,27° voneinander ab. Wenn man sich die Gelenkbahneinstellung im Vollwertartikulator anschaut, stellt man schnell fest, dass diese nur in 5° Schritten erfolgt.
Mit der DVT Auswertung konnte nachgewiesen werden, dass die mit Centric Guide® 3D erfassten Parameter exakt mit der Anatomie des Patienten übereinstimmen. Kurz um man kann diesen Parametern definitiv vertrauen.
Fazit:
Was soll dieser Beitrag aufzeigen?
Eine Centric Guide® 3D Registrierung dauert nur wenige Minuten. Aus meiner Überzeugung sind diese wenigen Minuten sehr sinnvoll investierte Zeit. Denn jetzt haben wir endlich den Biss, auf den man vertrauen kann. Damit gibt es kein Stress mit der Bissnahme, keine Schuldzuweisungen und keine nervigen Nacharbeiten.
Handbissnahme
pro bite concept
VORTEIL
✅ Geht schnell
✅ Geringe Kosten
NACHTEIL
❌ Lage der Kondylen unklar
❌ Schwierig im teil- und
unbezahnten Kausystem
❌ Bestimmung der Bisshöhe
schwierig
❌ Keine Erfassung der
Camper´schen Ebene
❌ Keine Erfassung der
Bipupillarlinie
❌ Keine sagittale
Gelenkbahnneigung
❌ Keine Bennettwinkel
❌ Kein Ebenenbezug im
Artikulator
❌ Bissbedingte Nacharbeiten
wahrscheinlich
❌ Zeitaufwand für Nacharbeiten
VORTEIL
✅ Lage der Kondylen
eindeutig definiert
✅ Konzepte für die Anwendung
im bezahnten, teil- und
unbezahnten Kausystem
garantieren reproduzierbare
Ergebnisse
✅ Exakte Bestimmung der
Bisshöhe
✅ Erfassung der Camper´schen
Ebene
✅ Erfassung der Bipupillarlinie
✅ Erfassung der sagittalen
Gelenkbahnneigung
✅ Erfassung der Bennettwinkel
✅ Eindeutiger Ebenenbezug im
Artikulator durch Ebenentisch
✅ Keine bissbedingten
Nacharbeiten
✅ Gewissheit, dass der Biss stimmt
NACHTEIL
❌ Anschaffungskosten
❌ Man muss seinen
gewohnten Arbeitsablauf
ändern / anpassen
Gleichzeitig wird die Funktion des Kiefergelenks besser verständlich, man versteht, was im Gelenk passiert. Es gibt also keinen Grund mehr den Biss einschleifen zu müssen.
Centric Guide® 3D ist ein Bestandteil des pro bite concepts von theratecc. Mit diesem Konzept können Sie Zähne fertigen, die zum Kiefergelenk und zur Kaumuskulatur passen, das ist entscheidend. Sie können funktionelle Beschwerden, wie Kopfschmerzen, Nackenschmerzen, Migräne usw. erfolgreich behandeln. Und Sie können sich viel Zeit sparen, wenn es keine bissbedingten Nacharbeiten mehr gibt. Das ist wirtschaftlich und personaltechnisch ein unschätzbarer Vorteil. Ein weiterer Vorteil ist, dass Sie das
pro bite concept im analogen und digitalen Workflow nutzen können.
Vielleicht ist das ein guter Vorsatz zum Jahreswechsel dieses Konzept in 2026 kennen zulernen oder in einem Workshop live anzuwenden. Damit können Sie sich selbst ein Urteil bilden, ob es an der Zeit ist, auf eine digitale Bissnahme zu vertrauen und ganz nebenbei sich viel Frust und Ärger zu ersparen.
Neue Workshoptermine für 2026 finden Sie hier.
Ich wünsche Ihnen eine schöne Weihnachtszeit, besinnliche Festtage
und alles Gute für das neue Jahr 2026.
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